Menschen
Auch sterbende Menschen benötigen eine hausärztliche medizinische Betreuung, zusätzlich zur Palliativversorgung. Beide Fachrichtungen haben ihren eigenen Schwerpunkt, arbeiten im Hospiz aber stets Hand in Hand. Seit fünf Jahren behandelt Dr. Matthias Doering als Hausarzt unsere Gäste. Weshalb er sich für die Arbeit in einem Hospiz entschieden hat und wo sein Aufgabenbereich endet, erklärt der junge Facharzt für Allgemeinmedizin im Interview.
Herr Dr. Doering, wenn Sie nicht gerade in Ihrer Gemeinschaftspraxis tätig sind, versorgen Sie die Gäste in unserem Hospiz. Wie kam es dazu und welche Aufgaben haben Sie?
Während meiner klinischen Facharztausbildung hatte ich unter anderem Einsätze in der Geriatrie und auf der Palliativstation. Ab da war das Interesse geweckt und ich griff sofort zu, als sich anschließend die Möglichkeit ergab, im Hospiz die hausärztliche Versorgung zu übernehmen. Kurze Zeit später erwarb ich zudem die ärztliche Zusatzbezeichnung Palliativmedizin.
In der Aufgabe des Hausarztes komme ich zur wöchentlichen Visite in das Hospiz und stehe auf Abruf zur Leichenschau bereit. Bei meiner Visite sichte ich die Medikamente bzw. setze welche ab oder stelle sie um, lasse mir von den Geschehnissen der vergangenen Woche durch die Kolleg*innen der Pflege berichten, spreche mit den Gästen, untersuche sie und höre ihnen und den Angehörigen zu, die häufig einen hohen Redebedarf haben.
Landläufig betrachtet liegt die Aufgabe eines Mediziners Ihres Fachs in der Prävention oder Heilung von Erkrankungen – wie passt das zu Ihrer Tätigkeit im Hospiz?
Als Arzt habe ich nicht nur die Aufgaben Leben zu erhalten und die Gesundheit wiederherzustellen, ebenso gehören die Linderung von Schmerzen und die Begleitung von Sterbenden dazu. Im Hospiz betrachten wir die Gäste ganzheitlich. Es geht vor allem darum ihre Symptome der Erkrankung zu überwachen, Beschwerden zu lindern, ihnen zuzuhören. Das mache ich im steten Austausch mit den Kolleg*innen der Palliativversorgung (SAPV).
Worin unterscheiden sich Ihre Aufgaben von denen der Palliativversorgung?
Spezifische Fragestellungen, z.B. der Schmerztherapie, gehören originär zu den Aufgaben der SAPV. Da ich selbst Palliativmediziner bin, sehe ich mich auch mit diesen Fragestellungen konfrontiert und bringe mich hierbei mit ein. Ich finde, man kann da keine klare Grenze ziehen. Schmerz bedeutet viel mehr als das rein körperliche Symptom, welchem wir mit Schmerzmitteln begegnen. Die Übergänge der Themen im Hospiz sind fließend und diesem versuche ich mit der Flexibilität meiner allgemeinmedizinischen als auch palliativmedizinischen Arbeit zu begegnen.
Manch einer würde sagen: „Warum machen Sie das? Es ändert doch nichts mehr.“ Was erwidern Sie?
Für mich als Arzt und als Mensch ist es sehr erfüllend, dass man den Gästen mit viel entgegengebrachter Ruhe und auch mal Therapiebegrenzungen Gutes tun kann, wenn diese schon Wochen oder Monate lang durch etliche Therapien und Krankenhäuser gegangen sind. Viele Menschen wollen dann einfach ihre Ruhe haben und auch diese kann man medizinisch gut ausgestalten. Frei nach dem Motto: "Wenn alle sagen, dass man nichts mehr machen kann, gibt es aber immer noch eine ganze Menge zu tun."
Nehmen Sie als Mensch Matthias Doering etwas mit von Ihren Erfahrungen im Hospiz?
Absolut! Für mich ist es eine Bereicherung meiner medizinischen aber auch meiner allgemeinen Lebenserfahrung. Ich empfinde die Aufgabe, Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt begleiten zu dürfen, als eine spannende und mich erfüllende Herausforderung, in der ich eine Menge für das Leben lernen darf. Dann und wann erlebe ich dabei "kleine Wunder", zum Beispiel wenn Menschen es schaffen, mit einer großen Leichtigkeit und mit viel Liebe aus dem Leben scheiden zu können. Diesen Ereignissen aber auch schwierigen Situationen beizuwohnen bzw. diese begleiten zu dürfen, ist etwas ganz Großartiges.
Sie sind jung, gerade einmal 37 Jahre alt. Haben Sie dennoch Vorstellungen oder Wünsche für das Alter?
Ich erhoffe mir eine möglichst gesunde und aktive Zeit mit meinem Partner. Alpines Wandern ist eine meine großen Leidenschaften, das möchte ich auch mit Ü60 noch machen können. Mit dabei sein wird Fritzi, eine Rauhaardackelhündin, die ich zur Rente bekommen werde.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute!